Internationaler Frauentag: Diskussion mit Kommunalpolitikerinnen

Potsdam, 8. März 2022. Im Landtag Brandenburg hat am Internationalen Frauentag auf Einladung der Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke die Diskussionsveranstaltung „Alltagsheldinnen und Lokalexpertinnen – Porträts erfolgreicher Kommunalpolitikerinnen“ stattgefunden. Zur Begrüßung verwies die Parlamentspräsidentin auf die Dringlichkeit des Themas: „Eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zur politischen Teilhabe von Frauen in Brandenburg hat bestätigt: Frauen sind auf allen politischen Ebenen stark unterrepräsentiert.“ In Kommunalparlamenten betrage ihr Anteil 27,6 Prozent, auf Landesebene sehe es mit 35,2 Prozent kaum besser aus. „Dieses Demokratiedefizit ist inakzeptabel und muss dringend behoben werden!“, forderte Ulrike Liedtke. Um den Frauenanteil in Parlamenten zu erhöhen, brauche es Beharrlichkeit, strukturelle Veränderungen „und die Unterstützung vieler – auch der Männer“. Neben einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Mandatstätigkeit gehe es um eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit im familiären Umfeld, neue Wege der Nachwuchsgewinnung und eine politische Kultur, die Frauen nicht abschrecke. „Parität lässt sich nicht von heute auf morgen herstellen, das Ziel aber steht fest: Denn von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis in den Parlamenten profitieren alle“, betonte die Präsidentin. 

In einer von der Hörfunkjournalistin Sabine Dahl moderierten Runde diskutierten Sigrid Schumacher, Bürgermeisterin der Gemeinde Zernitz-Lohm, Katrin Krumrey, Ortsvorsteherin in Bergholz-Rehbrücke, und Jovita Galster-Döring, Ortsvorsteherin in Hennickendorf (Nuthe-Urstromtal), über ihre individuellen Wege in die Politik und die Frage, wie mehr Frauen für die Kommunalpolitik gewonnen werden können. Sigrid Schumacher sagte, in der Kommunalpolitik erhalte man schnell und unmittelbar eine Rückmeldung für die eigene Arbeit, das motiviere sie. Dass sich viele Frauen nicht kommunalpolitisch engagieren, liege im ländlichen Raum nicht nur an familiären Verpflichtungen, sondern mitunter auch an langen Fahrwegen zu den Sitzungsorten. Katrin Krumrey sagte: „Kommunalpolitik hat den großen Vorteil, dass man Ideen recht schnell umsetzen kann.“ Um den Frauenanteil in Kommunalparlamenten mittelfristig zu erhöhen, müsse man stärker bei jungen Frauen und Mädchen ansetzen, sie stärken und ermutigen. Im Familienalltag sei die Unterstützung des Partners gefragt, so Krumrey. Nach Ansicht von Jovita Galster-Döring ist der niedrige Frauenanteil an Parlamenten auch darauf zurückzuführen, dass viele Frauen gar nicht erst in Parteien einträten, da sie das Gefühl hätten, dort nicht genug bewirken zu können. Viele Frauen zögerten ihrer Erfahrung nach, weil sie sich selbst zu wenig zutrauen. „Frauen brauchen ein Netzwerk und ein gutes Angebot für Weiterbildung, um mehr Selbstsicherheit zu gewinnen“, sagte Galster-Döring.

Das zweite Podium bildeten Mandatsträgerinnen: Dr. Stefanie Gebauer, Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Kremmen, Petra Quittel, Vorsitzende der Gemeindevertretung Schipkau, und Karin Kühl, stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Cottbus/Chóśebuz. Stefanie Gebauersagte, sie habe sich Kommunalpolitik durch „learning by doing“ angeeignet. Etliche Male habe sie mit dem Gedanken gespielt, alles hinzuschmeißen, räumte sie ein. Um weiterzumachen, habe sie sich auch ein dickeres Fell zulegen müssen. Um mehr Frauen für Kommunalpolitik zu gewinnen, müsse die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden. Zudem brauche es „echte Beteiligungsmöglichkeiten“: „Es frustriert die Menschen, wenn sie nicht ernstgenommen werden“, so Gebauer. Petra Quittel sagte, Kommunalpolitik könne man lernen. „Vernetzung ist wichtig. Und man muss bereit sein, auch Rückschläge einstecken zu können.“ Sie selbst hat unmittelbare Anfeindungen erlebt – ihr Auto wurde beschmiert. Quittel hält das für unzumutbar: „Warum muss man sich ein dickes Fell zulegen, um das auszuhalten? Das kann ich auch keinem erklären.“ Für die Zukunft wünsche sie sich eine veränderte Sitzungskultur und die Möglichkeit für Hybridsitzungen. Karin Kühl aus Cottbus rief engagierte Frauen auf, stärker als Vorbild sichtbar zu werden: „Wir müssen mit unseren positiven und negativen Erfahrungen hausieren gehen.“ Junge Frauen müssten dabei unterstützt werden, in die Kommunalpolitik hineinzuwachsen: „Nichts ist schlimmer als zu sagen: Das schaffst du schon. Man muss ehrlich sein: Man braucht Zeit und es kommt eine Menge Arbeit auf einen zu.“ Frauen müssten sich zudem stärker vernetzen: „Männer haben ihre Stammtische“, so Kühl.

In einer Schlussrunde erörterten die Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke und Anna Emmendörfer, Projektleiterin „Parität Macht Demokratie in Brandenburg“ für den Frauenpolitischen Rat, welche strukturellen Veränderungen die Teilhabe von Frauen, die Akzeptanz und die Attraktivität von Kommunalpolitik erhöhen können. Dabei ging es beispielsweise um Lösungsansätze wie Entschädigung für Verdienstausfall sowie Erstattung von Kosten für Kinderbetreuung während Sitzungszeiten. Anna Emmendörfer sagte, der niedrige Frauenanteil in Parlamenten habe Folgen für die politische Kultur und die Entscheidungen, die getroffen werden. Auch die Parteien seien in der Pflicht, Mentoringprogramme für Frauen aufzubauen, um den Nachwuchs zu unterstützen. Ulrike Liedtke warb für eine veränderte Sitzungskultur: „Wir können Sitzungen nicht immer anfangen lassen, wenn Kinder ins Bett gebracht werden müssen.“

Die Veranstaltung „Alltagsheldinnen und Lokalexpertinnen – Porträts erfolgreicher Kommunalpolitikerinnen“ wurde über die Website des Landtages live übertragen. Eine Aufzeichnung wird in Kürze auf dem YouTube-Kanal des Landtages abrufbar sein.

Weitere Informationen und Impressionen zur Diskussionsrunde anlässlich des Internationalen Frauentages „Alltagsheldinnen und Lokalexpertinnen – Porträts erfolgreicher Kommunalpolitikerinnen“

Blick in den Plenarsaal während der 2. Diskussionsrunde zur Frauentagsveranstaltung
Blick in den Plenarsaal während der 2. Diskussionsrunde zur Frauentagsveranstaltung
© Landtag Brandenburg / Fabian Schellhorn