Plenum berät über Hilfsmaßnahmen und wirtschaftliche Perspektiven für Brandenburg

Potsdam, 13. Oktober 2022. In einer Aktuellen Stunde hat der Landtag über die von Bund und Land angekündigten Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen angesichts der akuten Krise diskutiert. In den Redebeiträgen ging es zudem um die mittel- und langfristigen Perspektiven für Brandenburg und Ostdeutschland vor dem Hintergrund von Inflation und Energieknappheit, Zukunftsängsten und wirtschaftlichen Sorgen. Die Debatte unter dem Titel „Werte, Wirtschaft, Wohlstand – Brandenburgs Perspektiven nach drei Jahrzehnten Deutscher Einheit“ (Drucksache  7/6404, Neudruck) hatte turnusgemäß die CDU-Fraktion beantragt.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Jan Redmann sagte, um das „Erfolgsmodell Brandenburgs“ fortzusetzen, seien Klarheit, Verlässlichkeit und Selbstvertrauen sowie Fleiß notwendig. Zur Klarheit gehöre die Botschaft, „dass der Staat nicht jedes Problem lösen kann“. Verlässlichkeit bedeute etwa Planungssicherheit für Unternehmen und die Sicherung der Energieversorgung. Das Reden über einen Kohleausstieg schon 2030 „untergräbt das Vertrauen in die Politik insgesamt“, sagte Redmann. Zudem brauche Brandenburg mehr Selbstbewusstsein: „Wir müssen ambitionierter werden.“ Arbeiten müsse sich lohnen, das vom Bund geplante Bürgergeld sei dazu kein Beitrag; Brandenburg solle daher dem entsprechenden Gesetzentwurf im Bundesrat nicht zustimmen, so der CDU-Fraktionschef. Er betonte: „Zuversicht ist ostdeutsch, schon über 30 Jahre – Mut ist unsere DNA.“ Für die AfD-Fraktion nannte deren Vorsitzender Dr. Hans-Christoph Berndt die Rede Redmanns „schönfärberisch“, weil sie nicht der Realität entspreche sowie Ursachen und Wirkung verdrehe. Nicht der Ukraine-Krieg mit seinen Folgen, sondern „das Versagen der Regierungsparteien führt zu Zukunftsängsten und Vertrauensverlust“, so Berndt. Er bekräftigte, für eine gute Entwicklung Brandenburgs sei „eine Eingrenzung der Einwanderung“ unerlässliche Voraussetzung, und fügte hinzu: „Ich sage es noch einmal und zum Mitschreiben: Nicht Putin ist schuld an der Energiekrise, sondern die Energiewende und die Sanktionspolitik.“ Auch die Inflation gehe auf die Europäische Zentralbank sowie den „fortlaufenden Irrsinn der Einwanderungspolitik und der Corona-Politik“ zurück. Es würden neue Schulden aufgenommen, ohne die Ursachen der Krise zu bekämpfen.

Der SPD-Abgeordnete Ludwig Scheetz widersprach beiden Vorrednern. Das ab Januar geplante Bürgergeld diene unter anderem dazu, Menschen für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. „Dass die Leute massenhaft aufhören werden zu arbeiten nach dem 1. Januar 2023, ist einfach Unsinn“, sagte Scheetz in Reaktion auf Redmann. „Wir sind ein Sozialstaat und haben dafür Sorge zu tragen, dass keiner durchs Netz fällt.“ Die Brandenburger Koalition aus SPD, CDU und Bündnisgrünen tue das Notwendige, um einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern. Sie gehe mutig voran, „um Schaden von unserem Land abzuwenden“. Er sei sicher, so Scheetz, dass Wege gefunden würden, „die Krise als Chance für die Zukunft“ zu nutzen. Nötig sei dazu auch ein „nationaler Schulterschluss“ aller demokratischen Kräfte. Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Sebastian Walter, griff dies im Anschluss auf: „Erklären Sie, wie der Schulterschluss aussehen soll“, verlangte er, dann sei seine Partei dazu durchaus bereit. Der Gemeinsinn habe das Land Brandenburg stark gemacht und dürfe nicht untergraben werden. Walter kritisierte, die angekündigten Hilfen kämen zu spät: „Sie verteilen die Schwimmwesten dann, wenn das Schiff schon untergegangen ist.“ Dem CDU-Fraktionsvorsitzenden warf er „parteitaktische Spielchen“ vor und schloss mit Blick auf das rot-schwarz-grüne Regierungsbündnis im Land: „Diese Koalition ist doch keine Koalition mehr.“ Der Ministerpräsident müsse dafür sorgen, dass strittige Themen intern im Koalitionsausschuss geklärt würden „und nicht hier im Parlament“.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erinnerte der Abgeordnete Heiner Klemp an Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, Solidarität und das Selbstbestimmungsrecht der Völker sowie das Recht auf eine saubere Umwelt und auf Klimagerechtigkeit. „People, planet, profit“ solle Leitmotiv für Brandenburgs Entwicklung sein. Als Beispiel nannte Klemp das Vorhaben des Internetkonzerns Google, seinen Energiebedarf bis 2030 ganz aus kohlendioxidfreien Quellen zu decken. „Und da schließt sich der Kreis nach Brandenburg: Da wir erneuerbare Energien anbieten, steigen unsere Chancen als Standort“, so der Abgeordnete. Er zeigte sich zuversichtlich: „So wie Corona die Digitalisierung befördert hat, so wird die Energiekrise die Dekarbonisierung vorantreiben.“ Der Abgeordnete Dr. Philip Zeschmann von der Fraktion BVB/FREIE WÄHLER sagte, nachdem bereits die Corona-Pandemie das Vertrauen in die Grundlagen der Politik erschüttert habe, komme jetzt der Energiepreisanstieg hinzu. Tausende Unternehmen seien dadurch in ihrer Existenz bedroht. „Das ist ein Trend zur De-Industrialisierung Brandenburgs und auch Deutschlands“, warnte Zeschmann und fragte nach den Auswirkungen auf das Demokratie- und Systemverständnis der Menschen. „Es geht auch um den Erhalt der Demokratie und unseres Staatswesens, wie wir es kennen.“ Statt die Menschen zu vertrösten, müsse das Land jetzt sofort helfen, zum Beispiel mit Bürgschaften für bedrohte Firmen.

Seitens der Landesregierung ging der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie, Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach, auf diesen Punkt ein: Unternehmen könnten schon jetzt eine Bürgschaft bis zur Höhe von zwei Millionen Euro beantragen. Grundsätzlich unterstrich Steinbach: „Die Wirtschaft in Brandenburg weist eine hohe Attraktivität auf“, die Arbeitslosigkeit liege unter sechs Prozent. „Das hätte keiner für möglich gehalten, das ist eine enorme Leistung“, sagte er. In der Corona-Pandemie habe die Wirtschaft ihre Widerstandsfähigkeit gezeigt und mit Innovationen reagiert. Er habe „großes Vertrauen“, dass sie auch diese Krise überstehen und nutzen könne. Dabei dürften wegen kurzfristiger Hilfsmaßnahmen die Ziele Klimaschutz und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nicht aus dem Blick geraten. Brandenburg habe es weiter in der Hand, „zu einer Gewinnerregion des 21. Jahrhunderts zu werden“, betonte der Wirtschaftsminister. Klar sei aber: „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer.“

Einen Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE (Drucksache  7/6433) sowie einen Entschließungsantrag (Drucksache 7/6436) und einen Antrag der AfD-Fraktion (Drucksache 7/6396) lehnte der Landtag mehrheitlich ab.

Blick in den Plenarsaal zu Beginn der Aktuellen Stunde in der 74. Sitzung des Landtages.
Blick in den Plenarsaal zu Beginn der Aktuellen Stunde in der 74. Sitzung des Landtages.
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