Liedtke und Woidke mahnen anlässlich des 77. Jahrestages der Befreiung und des Kriegsendes zum Frieden

Potsdam, 8. Mai 2022. Unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke und Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke heute anlässlich des 77. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Kriegsendes in Europa der Opfer gedacht und zu Frieden und Versöhnung aufgerufen. Im Rahmen der Gedenkveranstaltung des Landtages zum 8. Mai sprachen in diesem Jahr auch der Botschafter der Ukraine in Deutschland, S. E. Dr. Andrij Melnyk, und die Historikerin Prof. Dr. Kerstin Susanne Jobst von der Universität Wien.

Landtagspräsidentin Liedtke sagte: „Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung Europas vom Faschismus, gedenken wir aller Opfer des Zweiten Weltkrieges. Noch in den letzten Tagen dieses schrecklichen Völkermordes starben auf Brandenburger Boden auch Soldaten der Roten Armee, darunter viele aus der Ukraine.“ Zahlreiche Kriegsgräberstätten erinnerten daran. „Wir sind noch nach 77 Jahren und weit darüber hinaus zu tiefem Dank verpflichtet. Gerade deshalb schmerzt uns Deutsche und Europäer der russische Angriffskrieg auf die Ukraine so sehr: Weil Russen, deren Urgroßväter zu den Befreiern zählten, in brutaler Weise ein Volk überfallen haben, das selbst zu unseren Befreiern vom Nationalsozialismus gehörte.“ Der Angriff richte sich nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen die Werte des Völkerrechts, Europas, der internationalen Gemeinschaft, der Zivilgesellschaft – letztlich gegen die Werte der Demokratie. Die Parlamentspräsidentin betonte: „Wir können die Ukraine, ihre Menschen und diese Werte nur gemeinsam schützen, mit Besonnenheit und Geschlossenheit.“

Ministerpräsident Woidke erklärte: „Wir sind den Soldaten der vielen Staaten dankbar, die Deutschland vom Nationalsozialismus befreit haben. Sie haben einen unfassbaren Blutzoll bezahlt. Sie haben das millionenfache Morden der Nationalsozialisten und den vom Deutschen Reich ausgehenden Weltkrieg beendet.“ Das Kriegsende im Mai 1945 sei eine zentrale Zäsur für die deutsche und europäische Geschichte im 20. Jahrhundert gewesen. „Das Ende der nationalsozialistischen Diktatur bedeutete auch das Ende eines Gewaltexzesses von unvorstellbaren Ausmaßen. Es liegt in unserer Verantwortung, die Erinnerung an die Toten wach zu halten. Umso fassungsloser macht es uns, dass in diesem Jahr der Krieg in die Mitte Europas zurückgekehrt ist.“ Der Angriffskrieg der Russischen Föderation bringe wieder großes Leid über die Menschen. „Gerade am heutigen Tag, wenn wir an das Kriegsende vor 77 Jahren denken, machen uns dieses Leid, die vielen getöteten Kinder, Frauen und Männer und die sinnlose Zerstörung von ukrainischen Städten und Dörfern fassungslos.“ Millionen seien heimatlos geworden. „Am heutigen 8. Mai erinnern wir deshalb nicht nur an die Toten des Zweiten Weltkriegs. Unsere Gedanken sind auch bei den Opfern des Krieges in der Ukraine.“

Der Botschafter der Ukraine in Deutschland, S. E. Dr. Andrij Melnyk, sprach in seiner Rede von einem „riesigen historischen blinden Fleck“ in der deutschen Erinnerungskultur: „Meine Heimat ist fast vollständig abwesend in der Topographie der deutschen Erinnerung.“ Unter den Opfern des Zweites Weltkrieges seien mindestens acht Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer. Für diese Kriegsopfer brauche es einen „würdigen Gedenkort in Berlin“, sagte Melnyk. Mit einem solchen Mahnmal würde Deutschland die „Versöhnung erheblich voranbringen“. Melnyk kritisierte, dass die ukrainischen Opfer des Zweiten Weltkrieges in deutschen Geschichtsbüchern keine Erwähnung fänden.

Historikerin Prof. Dr. Kerstin Susanne Jobst von der Universität Wien mahnte, die Europäer „sollten sich fragen, warum sie so erschreckend wenig wissen über die Ukraine, dieses Land, das nicht am Rande, sondern mitten in Europa liegt“. Sie betonte, dass die Europäische Union lange Zeit „wenig Interesse“ daran gehabt habe, der Ukraine eine Beitrittsperspektive zu bieten. Zugleich seien „eindeutige Grenzüberschreitungen“ durch Russland wie der Georgien-Krieg 2008 und die Annexion der Krim 2014 von der EU nicht ernstgenommen worden. Die Professorin mahnte: „Gleichgültigkeit ist genauso fatal wie Ignoranz. Sie tötet.“

Die Veranstaltung fand im Plenarsaal des Landtages vor geladenen Gästen statt und wurde für die interessierte Öffentlichkeit per Livestream übertragen. Das Bläserquintett des Landespolizeiorchesters Brandenburg begleitete das Gedenken musikalisch.

Liedtke und Woidke mahnen anlässlich des 77. Jahrestages der Befreiung und des Kriegsendes zum Frieden