Amtswechsel der Beauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur

Anlässlich des Amtswechsels  der Beauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur von Ulrike Poppe zu Frau Dr. Maria Nooke fand am 19. September eine Festveranstaltung im Landtag statt. Landtagspräsidentin Britta Stark würdigte die herausragenden Verdienste von Ulrike Poppe: „Seit 2009 berät und unterstützt die LAkD Menschen, die in der DDR politisch  verfolgt wurden, informiert über die Wirkungsweisen einer Diktatur und gestaltet politisch-historische Bildungsprozesse. Die LAkD hilft Betroffenen, ermutigt die Brandenburger zur kritischen Auseinandersetzung und hat in Brandenburg eine Form der Aufarbeitung etabliert, die Menschen miteinander ins Gespräch bringt. Das ist wesentlich das Verdienst von Ulrike Poppe. Ich danke ihr von Herzen und sichere Maria Nooke meine volle Unterstützung in ihrem neuen Amt zu.“

Ministerpräsident Dietmar Woidke betonte, Ulrike Poppe habe Brandenburg mit ihrer differenzierten Herangehensweise an die Aufarbeitung gut getan. „Ihre eigene Geschichte in der DDR und den Jahren nach der Wende sowie ihre Sensibilität für geschichtliche Zusammenhänge verliehen ihrer Tätigkeit eine besondere Glaubwürdigkeit.“ Er dankte ihr für die „gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“  und erinnerte an die Erhöhung der finanziellen Mittel für die Opferverbände oder die Einrichtung des Härtefallfonds für Betroffene, die nicht unter die Rehabilitierungsregelungen fallen. Woidke: „Mit Maria Nooke übernimmt eine würdige Nachfolgerin das für unsere Gesellschaft wichtige Amt. Sie hat sich stets gegen die Unterdrückung der Menschen- und Bürgerrechte gewandt und sich dabei immer für eine faire und an Einzelschicksalen orientierte Aufarbeitung eingesetzt.“ Woidke bekräftigte, dass die Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte und die Aufarbeitung erlittenen Unrechts  wichtige Anliegen der Landesregierung bleiben.

Werner Schulz: "Dank der Arbeit der Aufarbeitungsbeauftragten und ihrer MitarbeiterInnen ist aus dem hinsichtlich Vergangenheitsaufarbeitung unterbelichteten Brandenburg ein leuchtendes Beispiel für andere Bundesländer und Staaten mit vergleichbaren Problemen geworden. Dies gilt es fortzusetzen."  

Ulrike Poppe: „In den fast acht Jahren meiner Tätigkeit als Aufarbeitungsbeauftragte habe ich erfahren können, dass es in Brandenburg viele bürgerschaftliche Initiativen gibt, die sich dafür engagieren, dass die Erinnerung an die Zeit der Diktatur nicht verlorengeht und dass das Gedenken an die Opfer politischer Verfolgung  aufrecht erhalten und ihr Leid gewürdigt wird. Auch seitens der Politik ist die Arbeit meiner Behörde maßgeblich unterstützt worden, und ich möchte allen für die gute Zusammenarbeit danken.“

Maria Nooke: „Ich werde mich für diejenigen einsetzen, die in der DDR Unrecht erlitten haben und politisch verfolgt wurden. Mir liegt aber auch daran, den Dialog zu befördern über den Unterschied zwischen einer Diktatur und unserem heutigen Rechtsstaat  - und welche Bedeutung Freiheit und Demokratie für uns haben.“

Hintergrund:
Am 1. Juli 2009 verabschiedete der Landtag das Brandenburgische Aufarbeitungsbeauftragtengesetz. Damit wurde im Land Brandenburg ein Amt geschaffen, das es in vergleichbarer Art in den anderen neuen Bundesländern und Berlin bereits seit Anfang der 90er Jahre  gab. Sie  hießen Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR – analog zur Bundesbehörde – obwohl sie über keine Stasiakten verfügten. Die Benennung der Brandenburger Behörde ist präziser und erfasste von vorn herein ein breiteres Aufgabenspektrum. Inzwischen sind die entsprechenden Behörden in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt bereits umbenannt worden und in Berlin entscheidet das Abgeordnetenhaus voraussichtlich Ende des Monats über eine Umbenennung.

Am 17. Dezember 2009 wurde Ulrike Poppe für ihre erste Amtsperiode von fünf Jahren einstimmig zur Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur (LAkD) gewählt. Im ersten Jahr standen der Behördenaufbau und die Beratung ehemals politisch Verfolgter Bürgerinnen und Bürger im Zentrum der Tätigkeit. Letzteres ist weiterhin ein Schwerpunkt. Inzwischen ist ein dritter Bürgerberater dazugekommen.

Neben der Unterstützung beim Antrag auf Einsicht in die vom MfS angelegten „eigenen“ Akten beraten die Mitarbeiter vor allem bei Anträgen zur politischen Rehabilitierung und zur Gewährung von Leistungen zur Linderung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden. Gerade dieser Komplex ist von großer Bedeutung und zugleich besonders konfliktbeladen. 27 bis 70 Jahre nach der politischen Verfolgung ist der Nachweis einer Kausalität zwischen den damaligen Verfolgungsmaßnahmen und heutigen gesundheitlichen Beschwerden nicht leicht zu erbringen.

Insbesondere die Tatsache, dass nur wenige der beauftragten Gutachter sowohl im Bereich der posttraumatischen Belastungsstörungen qualifiziert und auf der Höhe des Forschungsstandes sind, als auch genaue Kenntnisse über die Verfolgungsmaßnahmen der Repressionsapparate in der DDR besitzen, ist für  viele Betroffene unbefriedigend.

Eine im August dieses Jahres getroffene Vereinbarung zwischen der LAkD und dem Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV)  über Kriterien zur Auswahl von Gutachtern für diese Anerkennungsverfahren soll nun zu einer Verbesserung der Gutachten beitragen. Hier ist Brandenburg nun einen Schritt vorwärts gegangen. Ein nächster Schritt könnte sein, dass auch die anderen Bundesländer sich entsprechende Kriterien zu Eigen machen, um schließlich zu bundeseinheitlichen   Bewertungen gesundheitlicher Folgeschäden zu kommen.

In der ersten Amtsperiode von Frau Poppe bildete der Landtag die Enquete-Kommission V/1 „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg.“ Frau Poppe arbeitete hier beratend mit. In den gemeinsam beschlossenen Empfehlungen, die die Kommission dem Landtag am 2. April 2014 vorstellte, ging es u. a. um die Verbesserung der sozialen Situation ehemals politisch Verfolgter und um die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur. Inzwischen wurde ein Härtefallfonds für ehemals politisch Verfolgte eingerichtet sowie  Fördermittel für Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen bereitgestellt. Die Verteilung dieser Mittel geschieht auf Empfehlung der Behörde der Aufarbeitungsbeauftragten.

Zu den Kernaufgaben der Aufarbeitung gehört auch die politisch-historische Aufklärung.  Mit Veranstaltungen, Publikationen, Ausstellungen, einem Zeitzeugenportal im Internet sowie einer App zur Friedlichen Revolution in Potsdam und vor allem mit Fortbildungsveranstaltungen für Multiplikatoren der schulischen und außerschulischen historischen Bildungsarbeit sowie mit Workshops und Projekttagen für Jugendliche hat die Behörde sich dieser Aufgabe gestellt. In einem großen Flächenland wie Brandenburg, dass z. T. nur dünn besiedelt ist, ist dies nicht so einfach.

Der beste Weg hierbei war der Aufbau eines Netzes von Partnern im Land. Inzwischen gibt es nahezu in allen Landkreisen Ansprechpartner in Schulen, lokalen Institutionen, Initiativen und Vereinen, mit denen die LAkD zusammenarbeitet.

2012 beschlossen der Bund und die neuen Bundesländer und Berlin analog zum Fonds Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland 1949 – 1975 einen vergleichbaren Fonds für Heimkinder in der DDR von 1949 bis 1990 einzurichten. Hierzu sollten sich die Betroffenen in Anlauf- und Beratungsstellen in den Bundesländern melden. In Brandenburg übernahm die LAkD diese Aufgabe und eröffnete die Anlauf- und Beratungsstelle (AuB) in Potsdam im Juli 2012.  In annähernd  4.000  Beratungsgesprächen mit ehemaligen Heimkindern wurden Vereinbarungen geschlossen, die ihnen materielle Hilfen und gegebenenfalls Rentenersatzleistungen ermöglichen. Diese sollen dazu beitragen Folgeschäden aus den Heimaufenthalten zu mildern.

Besonders in Spezialheimen,  Jugendwerkhöfen und Durchgangsheimen erlebten viele Heimkinder haftähnliche Zustände. Aus diesem Grund unterstützt die Aufarbeitungsbeauftragte die Forderung der davon Betroffenen nach Rehabilitierung gemäß dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz.  Nicht nur im Jugendwerkhof Torgau, sondern auch im Durchgangsheim Bad Freienwalde oder anderen Jugendwerkhöfen herrschten Bedingungen, die nicht als sinnvolle pädagogische Maßnahmen zur gesunden Entwicklung der Kinder und Jugendlichen angesehen werden können – der Strafcharakter der Maßnahmen ist inzwischen hinlänglich belegt.

Bei der Schaffung des Fonds 2012 übersahen die Errichter jene Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die in Einrichtungen der Psychiatrie untergebracht waren – in Ost- und Westdeutschland. Gutachter stellten auch hier inhumane Aufenthaltsbedingungen für Kinder und Jugendliche fest, so dass der Bund, die Länder und andere Träger dieser Einrichtungen die Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ gründeten. Hier können die Betroffenen einmalige finanzielle Hilfen bei den Anlauf- und Beratungsstellen beantragen. In Brandenburg hat die LAkD die Trägerschaft auch für diese AuB übernommen.

Der Fonds Heimerziehung in der DDR läuft im Dezember 2018 aus und die Stiftung Anerkennung und Hilfe endet zum 31.12.2022 Die Arbeit der Anlaufstellen prägten das Tätigkeitsfeld der Aufarbeitungsbeauftragten maßgeblich. Es war eine Herausforderung für die ganze Behörde der LAkD unter der Leitung von Ulrike Poppe, diese Aufgaben zu übernehmen.

Die Verfahrensmodalitäten des Heimkinderfonds änderten sich mehrere Male, zwischendurch war der Fonds ausgeschöpft und musste aufgestockt werden, es fehlten jegliche Vorerfahrungen, wie mit angemessener Beratung viertausend möglicherweise  Berechtigte in einer vorgeschrieben Zeit zu materiellen Hilfen und Rentenersatzleistungen kommen können. Das konnte nur durch hohe Einsatzbereitschaft aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anlaufstelle gelingen.

Frau Poppe geht in den Ruhestand mit der Gewissheit, dass die weitere Arbeit des ganzen LAkD-Teams bei Frau Dr. Maria Nooke in guten Händen liegen wird.