Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“ (EK 5/1)

Die nächste Sitzung der Enquete-Kommission 5/1 findet statt

am 20. Januar 2012

um 10:00 Uhr

im Raum 306, im Landtag Brandenburg.

In ihrer 17. Sitzung wendet sich die EK 5/1 der Genese wirtschaftspolitischer Entscheidungen und der Arbeit der Treuhand in Brandenburg zu.

Gegenstand der Sitzung wird zunächst das Gutachten „Analyse der Schlüsselentscheidungen im Bereich der Wirtschaftspolitik und ihre Wirkung auf die ökonomische Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte“ von Dr. Joachim Ragnitz, Karl Brenke und Prof. Dr. Udo Ludwig sein.

Hierin wird der Frage nachgegangen, in welcher Art und Weise sich die brandenburgische Regierungspolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirkte. Neben den Entwicklungen der wirtschaftspolitischen Ziele im Verlauf der Legislaturperioden werden auch Daten geliefert, die einen Vergleich zwischen den (neuen) Ländern ermöglichen. Das Gutachten erfasst ferner nicht nur die brandenburgspezifischen „Schlüsselentscheidungen“, sondern zeichnet durch die Auswertung von Daten zum Arbeitsmarkt, zur Entwicklung der privaten Einkommen, der öffentlichen Finanzen und der Bevölkerungszahlen ein kennzeichnendes Bild des Landes Brandenburg.

Die Anhörungen von Dr. Norman van Scherpenberg, Hermann Beck und Günter Lühmann finden zum Thema „Treuhand“ statt. Damit wird ein Kernbereich der wirtschaftlichen Transformation in Brandenburg nach der politischen Wende von 1989/90 beleuchtet. Als Anzuhörende sind ehemalige Mitarbeiter der Treuhand eingeladen, die auf unterschiedliche Entscheidungsebenen tätig waren.

Über diesen themenorientierten Teil der Sitzung hinaus, soll die Diskussion zur Forsa-Umfrage über das DDR-Bild der brandenburgischen Bevölkerung fortgesetzt, sollen organisatorische Fragen diskutiert sowie weitere Entscheidungen zu den Arbeitsvorhaben getroffen werden.

Die Gutachter

Dr. Joachim Ragnitz
stellvertretender Geschäftsführer ifo Dresden

weitere Informationen unter: http://www.cesifo-group.de/ragnitz-j

Karl Brenke
seit 1985 wiss. Referent am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin

weitere Informationen unter:
http://www.diw.de/de/diw_01.c.10721.de/ueber_uns/menschen_am_diw_berlin/brenke_karl.html

Prof. Dr. Udo Ludwig
Institut für Wirtschaftsforschung Halle; Leiter der Abteilung "Konjunktur und Wachstum"

weitere Informationen unter: http://www.iwh-halle.de/asp/person.asp?ldw&Lang=d

 

Die Anzuhörenden

Dr. Norman van Scherpenberg
ehem. Generalbevollmächtigter der Treuhand

www.norman-van-scherpenberg.de

Hermann Beck
ehem. Treuhand, Niederlassung Potsdam von 10/1990 bis 04/1993

Günter Lühmann
ehem. Treuhand, Niederlassung Cottbus

 

Fragen an die Anzuhörenden

1. Welche Motive hatte die Bundesregierung, bei der Arbeit der Treuhand Privatisierung und Stilllegung vor Sanierung zu setzen (Vgl. Gutachten, S. 5).

2. Inwiefern sind die Initiativen ostdeutscher Betriebsleitungen zur Übernahme der eigenen Produktionsstätten berücksichtigt worden? Inwiefern haben sich die Eingriffe der Treuhandanstalt als Wettbewerbsverzerrung zugunsten westdeutscher Unternehmen dargestellt?

3. In welchem Ausmaß sind durch den Beschäftigungsabbau auch wettbewerbsfähige Arbeitsplätze vernichtet worden? Wäre eine Sanierung in vielen Fällen nicht sinnvoller gewesen?

4. Wo lagen divergierende Interessen zwischen dem Bund bzw. der Treuhandanstalt einerseits und dem Land andererseits? Wer hat sich durchgesetzt? In welchen Punkten konnte sich das Land bei seinem Eintreten für eine Strukturpolitik durchsetzen? Oder blieb ihm nur die Möglichkeit, durch Maßnahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik (z.B. ABM) die sozial-negativen Begleiterscheinungen der Treuhand-Entscheidungen abzumildern?

5. Wie viele Wirtschaftseinheiten1 wurden nach Maßgabe des Treuhandgesetzes vom 17. Juni 1990 im Land Brandenburg der Treuhandanstalt (THA) zugeordnet und in Kapitalgesellschaften umgewandelt? – möglichst aufgeschlüsselt nach Branchen sowie Niederlassungen der THA (Stichtag 1. Juli 1990)?

6. Wie hat sich in Brandenburg der Gesamtbestand der von der THA übernommenen und neu entstandenen Unternehmen bis zur Auflösung der THA am 31. Dezember 1994 entwickelt? – unterteilt nach

  • vollständig privatisierten Unternehmen

  • mehrheitlich privatisierten Unternehmen

  • privatisierten Betriebsteilen

  • reprivatisierten Unternehmen

  • kommunalisierten Unternehmen

  • Besitzeinweisungen

  • Liquidationen

  • Restbestand

7. Wie viele finanzielle Mittel wurden von der Treuhandanstalt für Neuinvestitionen und Sanierungsmaßnahmen einschließlich Kapitalausstattung für ihre Brandenburger Unternehmen bereitgestellt?

8. In welchem Umfang erfolgten Liquiditätsbeihilfen und Verlustausgleich, Altkreditübernahme in DM-Eröffnungsbilanzen und Sozialplanzuwendungen?

9. Wie viele der privatisierten Brandenburger Treuhandunternehmen und wie viel ihres Anlagevermögens gingen an

  • westdeutsche Käufer/Unternehmen

  • ausländische Käufer/Unternehmen

  • ostdeutsche Bürgerinnen und Bürger im Rahmen von Management-Buy-Out, darunter gesondert die Fälle mit westdeutscher Beteiligung?

10. Wie hoch war der Anfangsbestand der Beschäftigten der Treuhandunternehmen?

11. In welcher Größenordnung wurden Investitionszusagen und Arbeitsplatzzusagen in den Kaufverträgen vereinbart und wie war der Erfüllungsstand?

12. In welchem Umfang wurden im Falle der Nichterfüllung der Investitions- und Arbeitsplatzzusagen die vertraglich festgelegten Pönale eingezogen?

13. Wie und nach welchen Kriterien waren die Zuständigkeiten zwischen der Zentrale der THA und den Niederlassungen geregelt?

14. Wie war die Relation der Unternehmensprivatisierungen durch die THA-Zentrale und der in eigener Verantwortung2 (2) der Niederlassungen Cottbus und Potsdam erfolgten Privatisierungen?

15. Gab es bei den in Zuständigkeit der Niederlassungen erfolgten Privatisierungen von Unternehmen Konsultationen mit dem Land und/bzw. Kommunen oder Einflussnahmen durch Land und Kommunen? – falls ja, bitte Beispiele.

16. Welche Rolle haben die Nachfolgegesellschaften der Treuhandanstalt bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes Brandenburg gespielt und wo ist ihre Tätigkeit noch heute bedeutsam?

17. Wie war die Besetzung der Treuhandniederlassungen mit westdeutschen und ostdeutschen Führungskräften (in Prozent und absolut)?

18. Gab es unter den Führungskräften und Mitarbeitern der THA-Niederlassungen Verbindungen zu Unternehmen der alten Bundesländer und damit Gefahren der Beeinflussung der Treuhandtätigkeit durch Interessenkonflikte, z.B. Beseitigung von Konkurrenten?

19. Gab es die Möglichkeit dass Interessenten (Unternehmer oder ihre Beauftragten) Einsicht in interne Betriebsunterlagen  größerer Treuhandunternehmen  bekamen und dadurch gegen die Interessen der Erhaltung der Unternehmen  handeln konnten?

20. Welche Beschlüsse wurden zur Einsetzung der Treuhandanstalt gefasst?

21. Durch wen wurden die Beschlüsse zur Einsetzung der Treuhandanstalt gefasst beziehungsweise verabschiedet?

22. Wer war mit der Konstituierung der einzelnen Niederlassungen in Brandenburg beauftragt?

23. Wie und durch wen wurde das Gründungspersonal der Niederlassungen ausgewählt?

24. Wie und durch wen wurde das Führungspersonal der Niederlassungen ausgewählt und bestellt?

25. Gab es bei der Personalauswahl Überprüfungen hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit bzw. auf eine herausgehobene Funktion in der SED?

26. Welche Ergebnisse gab es bei den Privatisierungen der kreisgeleiteten Betriebe durch Landräte und Oberbürgermeister?

27. Wie war der Kontakt zu den Regierungsbevollmächtigten bei den Bezirksverwaltungen bzw. zur Landesregierung Brandenburg und mit wem wurde dabei besonders eng zusammengearbeitet?

28. Gab es bei den Brandenburger Niederlassungen Besonderheiten oder Unterschiede im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern?

29. Bitte um Darstellung der Privatisierung anhand von Beispielen hinsichtlich Ausgangslage, handelnde Personen, Verlauf und Ergebnisse. Vorschlag: Rathenower Optische Werke (VEB ROW)

30. Welches waren die größten Probleme bei der Privatisierung in Brandenburg?

31. Wie viele Unternehmen konnten in Brandenburg erfolgreich privatisiert werden (ungefähre Angaben in absoluten Zahlen oder Prozent)?

1 Im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragene volkseigene Kombinate, Betriebe, Einrichtungen und sonstige juristisch selbständige Wirtschaftseinheiten.

2 Privatisierungsvorgänge, die nicht zur Genehmigung beim Vorstand der THA vorgelegt werden mussten.