Landtagspräsidentin Britta Stark: Gedenken heißt Handeln gegen Rechts

Anlässlich des Gedenktags „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa“ fand im Landtag Brandenburg am Dienstag, den 9. Mai 2017, im Plenarsaal eine Gedenkveranstaltung statt. 75 Jahre nach dem „Himmler-Erlass“ über die Deportation der Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau stand in diesem Jahr das Gedenken an die 500 000 ermordeten Sinti und Roma im Mittelpunkt.

Landtagspräsidentin Britta Stark appellierte in ihrer Rede an die Anwesenden zum klaren Handeln  gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antiziganismus.

Wörtlich sagte Stark: „Gedenken darf niemals zum Symbol erstarren. Gedenken muss Haltung werden und handlungsleitend. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus vor der eigenen Haustür stattfanden und vorbereitet in den Köpfen ganz normaler Menschen. Und weil  Antiziganismus, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit noch nicht aus der Welt geschafft sind, müssen wir dafür sorgen, dass sich so etwas nie wiederholt.“

Ministerpräsident Dietmar Woidke mahnte: „Heute gedenken wir im Besonderen der Sinti und Roma, die von den Nationalsozialisten erst systematisch entrechtet und viele von ihnen – etwa 500 000 - in ganz Europa – in grauenvoller Weise ermordet wurden.

Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus darf niemals ruhen. Wir brauchen Gedenktage wie den 8. Mai, um uns immer wieder zu vergegenwärtigen, dass die Nationalsozialisten bei ihren brutalen Verbrechen getragen waren von blankem Hass und kranker Ideologie. Es sind Gräueltaten, die von Deutschen begangen wurden und für die wir die Verantwortung übernehmen. Angesichts des Erstarkens nationalistischer und rechtsextremistischer Umtriebe sind wir aufgerufen, gerade junge Menschen für Zivilcourage, für Toleranz und Mitmenschlichkeit zu sensibilisieren. Und weil immer weniger Überlebende der NS-Mordmaschinerie unter uns sind, ist es jetzt besonders wichtig, über Bildung frühzeitig Aufklärung zu betreiben. Es wird keinen Schlussstrich geben“.

Petra Rosenberg, Vorsitzende des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e. V., betonte in ihrer Rede, wie die Vergangenheit in der Gegenwart weiter wirkt: "Das wohl dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte ist in tragischer Hinsicht auch ein Teil unserer Geschichte; es ist für in Europa lebende Sinti und Roma Bestandteil in der Wahrnehmung der Gegenwart und prägt bis zum heutigen Tag auf nachhaltige Weise nicht nur das Bewusstsein der Überlebenden, sondern auch das der Nachgeborenen.“

Hintergrund:
Am 30. April 2015 hat der Landtag den Beschluss gefasst, den 8. Mai als Gedenktag in das Brandenburger Feiertagsgesetz aufzunehmen („Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa“).
Im Jahr 2016 fand aus diesem Anlass erstmalig eine Gedenkveranstaltung im Landtag statt. Im Jahr 2017 jährt sich der „Himmler-Erlass“ zum 75. Mal. Damals begannen die Deportationen der Sinti und Roma in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau.
Im Rahmen der Gedenkveranstaltung wurde das Dokumentar-Theater-Projekt „Zur Endlösung der Zigeunerfrage“ Ein fiktives Symposium – Berlin, 16. Dezember 1942 des Historikerlabors Berlin e. V. aufgeführt.

Das Dokumentar-Theater-Projekt „Zur Endlösung der Zigeunerfrage“  zeigt den Zusammenhang von Vorurteil, Wissenschaft und Völkermord an den Sinti und Roma. Es ist zugleich der Abschluss einer Trilogie des Historikerlabors e. V., die sich mit dem organisierten Mord an Juden, Slawen, Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten befasst. Dem Historikerlabor geht es darum, die Menschheitsverbrechen im Gesamtzusammenhang eines Genozids zu verstehen und diese Geschichte zu vergegenwärtigen. Das Dokumentar-Theater erzählt die Geschichte aus der Täterperspektive. Jeweils ein Historiker beschäftigt sich mit einem Täter und stellt diesen biografisch und historisch vor mit kritischer Distanz zu den Dokumenten. Das Publikum ist Teil eines Tribunals, eines Prozesses, der verdeutlicht, wo das Denken, Sprechen und Handeln der Täter herkommt und wohin es führt. Gebrochen wird die Täterperspektive durch die Stimmen der Verfolgten.
In einem Parallelprojekt kultureller Bildung ergreifen Jugendliche Besitz von der Bühne mit Texten der Sinti und Roma, der größten Minderheit in Europa, deren Diskriminierung noch immer nicht überwunden ist.