Landtagspräsidentin und Aufarbeitungsbeauftragte erinnern am Jahrestag des Mauerfalls an Häftlinge des früheren Militärgefängnisses in Schwedt/Oder

An den Mauerfall vor 33 Jahren hat heute das Land Brandenburg mit einer Gedenkveranstaltung in Schwedt/Oder erinnert. Unter dem Motto „Für ein freies Land mit offenen Grenzen“ luden der Landtag, die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur und die Stadt Schwedt/Oder in die Uckermärkischen Bühnen Schwedt (UBS) ein. Gewürdigt wurden die Menschen, die 1989 zum Sturz des SED-Regimes in der DDR beigetragen haben, ebenso wie ehemalige Häftlinge im Militärgefängnis Schwedt; viele von ihnen mussten noch bis 1990 auf ihre Entlassung warten. In dem einzigen Militärgefängnis der DDR waren seit 1968 insgesamt rund 10.000 Angehörige der Nationalen Volksarmee nach Verurteilung zu Freiheitsstrafen oder Strafarrest bzw. wegen einer durch Kommandeure oft willkürlich verhängten Disziplinarstrafe inhaftiert.

Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke sagte: „Die Friedliche Revolution von 1989, die zum Fall der Mauer führte, ist ein Meilenstein in der deutschen Demokratiegeschichte. Die Menschen in der DDR befreiten sich selbst von einem Unrechtsregime, das Andersdenkende drangsalierte und schikanierte. Ein Ort dieses Unrechts war das Militärgefängnis in Schwedt. Hier wurden tausende junge Männer für ihre politische Überzeugung oder für geringfügige Vergehen schwer bestraft; viele sind für ihr Leben gezeichnet. Auch diesen Teil der DDR-Geschichte müssen wir aufarbeiten und uns erinnern – um den Rechtsstaat zu schätzen und zu schützen. Die Opfer verdienen unsere volle Unterstützung.“

Die Aufarbeitungsbeauftragte Dr. Maria Nooke erklärte: „Der Mauerfall als ein Ergebnis der Friedlichen Revolution entsprach dem Wunsch vieler Menschen nach Freiheit, der Gewährung von Bürgerrechten und Demokratie. Er führte auch zur Veränderung der Machtverhältnisse im berüchtigten Militärknast Schwedt und schließlich zur Entlassung der Insassen. Die Erinnerung an diese Ereignisse wachzuhalten heißt auch, deutlich zu machen, dass ahistorische populistische Aneignungen der Friedlichen Revolution nicht dem Geist von 1989 entsprechen."

Die Bevollmächtigte des Landes beim Bund, Staatssekretärin Dr. Friederike Haase sagte: „Der Fall der Mauer ist eine Sternstunde unserer Geschichte. Sie wurde vorbereitet von all denen, die sich der SED-Diktatur widersetzten oder verweigerten. Insbesondere der Bürgerrechtsbewegung schulden wir großen Dank. Der 9. November ist ein guter Tag, an den Mut und an den Kampf derer zu erinnern, die sich für den Fall der Mauer, für ein freies Land, für Demokratie und Meinungsfreiheit einsetzten. Der 9. November ist zugleich ein Tag des Gedenkens an die Opfer der SED-Diktatur, ein Tag des Mitgefühls mit ihnen und ihren Angehörigen. Gedenk- und Erinnerungsorte wie das ehemalige Militärgefängnis hier in Schwedt, die Gedenkstätte Lindenstraße in Potsdam, und andere Einrichtungen helfen uns, der Verklärung der DDR, der Verharmlosung von Unrecht, der Fälschung historischer Zusammenhänge entgegenzutreten. Das ist heute mehr denn je notwendig.“

Frank Bretsch, stellvertretender Landrat des Landkreises Uckermark, zollte all jenen Menschen Respekt, die es in den unterschiedlichsten Bereichen vermochten, zutiefst verunsicherte Menschen mitzunehmen und ihnen Hoffnung zu geben: „Ich bin sicher, dass das Maß der Freiheit und eben auch der Eigenverantwortung all jene stolz macht, die dabei waren."

Die Bürgermeisterin der Stadt Schwedt/Oder, Annekathrin Hoppe, begrüßte die Teilnehmenden der zentralen Gedenkveranstaltung: „Schwedt war nicht nur als industrieller Leuchtturm im Nordosten der gesamten DDR bekannt, sondern leider auch für das Militärgefängnis berüchtigt. Wer dort war, war zum Schweigen verurteilt, und nach und nach wurde der mit Angst besetzte ‚Mythos Schwedt‘ geboren. In den vergangenen Jahren gelang es Historikern und Zeitzeugen, diesem ‚Mythos‘ behutsam nachzuspüren und die Geschichte hinter dem berüchtigten Armeeknast aufzudecken. Dazu beigetragen hat und haben insbesondere Detlef Fahle und alle anderen Ehrenamtler vom Verein DDR-Militärgefängnis e. V., die regelmäßig vor Ort sind und den interessierten Besucherinnen und Besuchern öffentliche Führungen anbieten. Ihnen gilt heute mein persönlicher Dank."

Der Potsdamer Historiker Dr. Rüdiger Wenzke beleuchtete in einem Vortrag die Zeit der Friedlichen Revolution, die Gefangenenproteste im Militärstrafvollzug in Schwedt/Oder sowie dessen Auflösung im Frühjahr 1990. Bei einem Gespräch unter der Moderation der Aufarbeitungsbeauftragten riefen Zeitzeugen aus der Bürgerbewegung und ein früherer NVA-Häftling die Entwicklung vor 33 Jahren in Erinnerung. Zudem bestand für die Teilnehmenden die Möglichkeit, das Gelände des ehemaligen Militärgefängnisses zu besichtigen. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung durch die Schauspielerin Katarzyna Kluczna sowie die Musik- und Kunstschule Schwedt/Oder.

Im Theaterfoyer der UBS wird derzeit eine Wanderausstellung über die Geschichte des Militärstrafvollzugs in Schwedt/Oder gezeigt, die von Mitte Mai 2023 an auch im Foyer des Landtages zu sehen sein wird: „NVA-Soldaten hinter Gittern. Der Armeeknast Schwedt als Ort der Repression“.

Fotos der Veranstaltung sind über die Pressestelle des Landtages zu erhalten und mit Quellenangabe frei zur Veröffentlichung. Anfragen bitte an: pressestelle@landtag.brandenburg.de