Landtag debattiert in Aktueller Stunde über wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs

Blick in den Plenarsaal während der Aktuellen Stunde in der 33. Sitzung des Landtages Brandenburg am 27.01.2021.
Blick in den Plenarsaal während der Aktuellen Stunde in der 33. Sitzung des Landtages Brandenburg am 27.01.2021.
© Landtag Brandenburg
Potsdam, 27. Januar 2021. Der Landtag Brandenburg hat im Rahmen einer Aktuellen Stunde zum Thema „Brandenburgs Zukunft sichern – gerade in Krisenzeiten Fachkräfte bilden und halten sowie Investitionen vorantreiben“ über die wirtschaftliche Entwicklung des Landes debattiert.

Die Debatte eröffnete Erik Stohn, Vorsitzender der SPD-Fraktion, die die Aktuelle Stunde beantragt hatte. Er betonte, dass sich der Brandenburger Arbeitsmarkt in der derzeitigen Krise als „deutlich stabiler“ erweise als von vielen vorausgesagt. Dabei sei das Instrument der Kurzarbeit „die stabilste Brücke über dieses ökonomische Tal“. Als „eine Katastrophe“ bezeichnete er die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit: Während die Arbeitslosigkeit 2020 insgesamt um sieben Prozent (bzw. 6000 Personen) zugenommen habe, liege die Steigerungsrate bei den unter 25-Jährigen bei 21 Prozent. Mit Blick auf die Fachkräftesicherung betonte er die Bedeutung von Aus- und Weiterbildung. Der AfD-Abgeordnete Steffen John warf der Landesregierung mit Verweis auf Branchen, die pandemiebedingt von Betriebsschließungen betroffen seien, „politisches Versagen“ vor. „Die Unternehmen im Land brauchen keine Lockdown-Strategie, sondern eine Öffnungsstrategie“, sagte er. Außerdem kritisierte er, dass es an Konzepten zur Abwanderung von Fachkräften fehle. Es brauche „echte Anreize, die einheimische Fachkräfte binden“. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Dr. Jan Redmann, hob das Innovationspotenzial Deutschlands hervor. Die Pandemie habe gezeigt, wie innovativ die Wirtschaft sei. Er rief zu einem Umdenken auf: Brandenburg und die neuen Bundesländer hätten in der Vergangenheit zu lange versucht, den alten Bundesländern „nachzueifern“. Deren wirtschaftliche Strukturen seien aber vielfach auf die Bedürfnisse vergangener Jahrzehnte ausgerichtet. Nun würden aufgrund der „Disruption in der globalen Wirtschaft“ die Karten neu verteilt. Dies könne für Brandenburg eine Chance sein.

Der Ko-Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Sebastian Walter, verwies darauf, dass Brandenburg mit Blick auf Durchschnittslöhne im bundesweiten Vergleich lediglich Platz zwölf einnehme. Auch in Berlin verdienten Beschäftigte deutlich besser. Zudem müssten Brandenburgerinnen und Brandenburger statistisch betrachtet jedes Jahr 63 Stunden mehr arbeiten als der Durchschnitt. Rhetorisch fragte er: „Wie stellen Sie sich das mit der Fachkräftegewinnung vor, wenn das die Rahmenbedingungen sind?“ Petra Budke, Ko-Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zog in ihrer Rede Bilanz: Instrumente des Sozialstaats wie die Kurzarbeit und die Arbeitslosenversicherung bewiesen sich in der Krise. Zugleich zeigten sich aber auch die Lücken und Schwächen der Sicherungssysteme. Sie mahnte, angesichts der Pandemie nicht „die anderen großen globalen Krisen“ aus den Augen zu verlieren. „Wir wollen die sozial-ökologische Transformation voranbringen“, betonte sie. Dr. Philip Zeschmann kritisierte für die Fraktion BVB/FREIE WÄHLER, die derzeitige wirtschaftliche Lage des Landes sei viel schlechter als von der Landesregierung dargestellt. „Tesla macht noch keinen Sommer“, sagte er. Der Landesregierung warf er „Ideen- und Konzeptlosigkeit“ vor. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie verwies er u. a. darauf, dass sich „massenweise Soloselbstständige in Hartz IV“ befänden und eine Insolvenzwelle drohe.

Wirtschafts- und Arbeitsminister Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach (SPD) bilanzierte, dass die Brandenburger Betriebe auch unter Berücksichtigung der Zunahme von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit bislang gut durch die Krise gekommen seien. Auch das System der beruflichen Bildung habe sich als anpassungsfähig erwiesen. Verglichen mit dem Vorjahr sei die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zum Start des Ausbildungsjahres 2020 um weniger als fünf Prozent gesunken. Er betonte zudem die strategische Bedeutung von Aus- und Weiterbildung für die Zeit nach der Krise: Wer dann auf gute Fachkräfte zurückgreifen könne, werde die Nase vorn haben. Die mittel- und langfristige Ausrichtung der Wirtschaft sei entscheidend für den Erfolg, hob er hervor.

Helmut Barthel, der für die SPD-Fraktion sprach, sagte zu den Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen, die von den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffen sind: „Trotz aller berechtigten Kritik: Die Hilfsprogramme greifen.“ Den Vorwurf, Gründerinnen und Gründer würden von der Politik im Stich gelassen, wies er zurück. Daniel Münschke hob für die AfD-Fraktion die Bedeutung des Handwerks für die Brandenburger Wirtschaft hervor. Zugleich forderte er mehr Unterstützung und Entbürokratisierung. „Das Handwerk hat eine bessere Politik verdient“, sagte er. Frank Bommert von der CDU-Fraktion räumte ein, dass es bei den Hilfsprogrammen Fälle gebe, die durchs Raster fielen. Für diese müssten Lösungen gefunden werden. Das Handwerk müsse durch die Politik gestärkt werden; berufliche Perspektiven in diesem Bereich müssten Jugendlichen noch besser aufgezeigt werden. In diesem Zusammenhang forderte Heiner Klemp für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass mehr junge Menschen für Handwerksberufe begeistert werden müssten. Hierbei sollten Politik und Handwerkskammern auch verstärkt junge Frauen und Studienabbrecher als mögliche Zielgruppen in den Blick nehmen. Der SPD-Abgeordnete Sebastian Rüter verwies in seiner Rede auf die pandemiebedingt prekäre Lage zahlreicher Ausbildungsbetriebe und Betriebsbildungsstätten. Für letztere forderte er ein Soforthilfeprogramm.

Der Antrag „Brandenburger Handwerk stärken – Strukturen der dualen Ausbildung sichern und modernisieren“ (Drucksache 7/2824) wurde einstimmig ohne Enthaltungen angenommen. Mehrheitliche Zustimmung fand der Antrag „Wirtschaftskraft stärken – Investitionen vorantreiben (Drucksache 7/2531). Ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit dem Titel „Gute Löhne und gute Ausbildung: Grundlagen für Innovation und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung“ (Drucksache 7/2894) wurde mehrheitlich abgelehnt.