Landtag debattiert in Sondersitzung über Lage an deutsch-polnischer Grenze

Blick in den Plenarsaal zu Beginn der Aussprache in der 53. (Sonder-)Sitzung des Landtages Brandenburg.
Blick in den Plenarsaal zu Beginn der Aussprache in der 53. (Sonder-)Sitzung des Landtages Brandenburg.
© Landtag Brandenburg
Potsdam, 27. Oktober 2021. Der Landtag hat sich in einer Sondersitzung mit der Migration über die sogenannte Belarus-Route und die daraus resultierende angespannte Situation an der deutsch-polnischen Grenze befasst. Außerdem wurde kontrovers über die Frage von Grenzkontrollen debattiert.

Die Mehrheit der AfD-Fraktion hatte die Sondersitzung mit Aussprache über „die dramatisch wachsende illegale Migration im brandenburgischen Abschnitt der deutsch-polnischen Grenze“ beantragt. Ihr Vorsitzender, Dr. Hans-Christoph Berndt, zog mit Verweis auf die zuletzt stark gestiegene Zahl unerlaubter Grenzübertritte eine Parallele zur Flüchtlingskrise 2015 und hielt der Regierungskoalition vor: „Dass Sie aus 2015 nichts gelernt haben, beweist die dramatische Lage an der deutsch-polnischen Grenze.“ Er forderte durchgehende Grenzkontrollen und sagte: „Ein Staat, der keine vollständige Kontrolle über seine Grenzen hat, gerät in unhaltbare Zustände. Und ein Staat, der überhaupt keine Kontrolle über seine Grenzen hat, geht unter.“ Inka Gossmann-Reetz von der SPD-Fraktion verwies darauf, dass die Ursache des Problems der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko sei, der als Reaktion auf verschärfte Sanktionen gegen sein Land gezielt Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze bringe. Sie betonte: „Egal, wie hart die Sachauseinandersetzungen auf europäischer Ebene sind, wir lassen unsere Nachbarn Polen nicht allein in dieser Krise, denn wir sind der Zusammenarbeit und dem geeinten Europa verpflichtet.“ Brandenburg tue „alles dafür, dass die Provokationen des Diktators ins Leere laufen“.

Andrea Johlige von der Fraktion DIE LINKE warf der Landesregierung vor, auf die aktuelle Situation an der deutsch-polnischen Grenze mit Angst zu reagieren, und kritisierte Innenminister Michael Stübgen dafür, dass er das Agieren des weißrussischen Präsidenten als „hybride Kriegsführung“ bezeichne. Dieser Begriff wecke falsche Assoziationen, da er Flüchtlinge als Waffen brandmarke. Zudem warf sie der Landesregierung vor, den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufs Spiel zu setzen.Im Haushaltsentwurf geplante Kürzungen im Bereich Soziales und Integration seien „fahrlässig und kurzsichtig“. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Dr. Jan Redmann, reagierte darauf mit der Ankündigung, dass die entsprechenden Ansätze im Rahmen der Haushaltsklausuren der Regierungskoalition mit der aktuellen Lage abgeglichen würden. Der AfD-Fraktion warf er vor, die Ursache des Migrationsproblems zu verschweigen: Der belarussische Präsident Lukaschenko wolle seine politischen Interessen durchsetzen und die EU destabilisieren. Indem die AfD dies ausblende, spiele sie „das Spiel der Feinde unseres Vaterlandes“, so Redmann. Matthias Stefke von der Fraktion BVB/FREIE WÄHLER hob hervor, dass die Lösung der Probleme „nicht allein in den Händen Brandenburgs“ liege: „Gefragt sind jetzt nicht politische Drummer, sondern stille Diplomatie“, sagte er. Der AfD-Fraktion warf er vor, eine Antwort auf die Frage schuldig zu bleiben, wie die mehr als 250 Kilometer lange Grenze zu Polen in Brandenburg durchgehend mit eigenen Kräften kontrolliert werden solle. Marie Schäffer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richtete den Blick darauf, dass eine Schließung der deutsch-polnischen Grenze massive Auswirkungen auf die Wirtschaft sowie auf Pendlerinnen und Pendler im Grenzgebiet hätte. Den Umtrieben rechtsextremer Gruppierungen, die „an der Grenze auf Menschenjagd gehen“, müsse mit aller Entschiedenheit Einhalt geboten werden. Ausdrücklich lobte sie, dass in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt „in beeindruckendem Tempo“ die Kapazitäten erhöht worden seien, um auf die steigende Zahl ankommender Menschen zu reagieren.

Innenminister Michael Stübgen sprach von einer „noch nie dagewesenen Dimension hybrider Kriegsführung“ und betonte: „Das Problem sind nicht die Asylsuchenden, das Problem sitzt in Minsk. Und die Lösung für das Problem Minsk ist in Moskau.“ Die Anzahl an Asylanträgen steige derzeit exponentiell, eine „zunehmende Kommerzialisierung dieser Fluchtroute“ sei offensichtlich. Der Minister warnte vor einer Eskalationsspirale, die zur beidseitigen Schließung der deutsch-polnischen Grenze führen könne, und mahnte: „Wir dürfen die Freiheit Europas nicht preisgeben.“

Einen Entschließungsantrag der AfD-Fraktion (Drucksache 7/4420), in dem unter anderem eine durchgehende Sicherung des brandenburgischen Abschnitts der deutsch-polnischen Grenze gefordert wurde, lehnte der Landtag in namentlicher Abstimmung mehrheitlich ohne Enthaltungen ab.