Landtag debattiert über weitere Corona-Politik

Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke spricht zu den Ergebnissen vom 03.03.2021 der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin vor dem Plenum.
Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke spricht zu den Ergebnissen vom 03.03.2021 der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin vor dem Plenum.
© Landtag Brandenburg
Potsdam, 4. März 2021. Der Landtag Brandenburg hat in einer Sondersitzung über die am Vortag im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit der Bundeskanzlerin verabredete Verlängerung des Lockdowns und die geplanten Öffnungsschritte debattiert. Besonders kontrovers wurde dabei über den bisherigen Impffortschritt diskutiert.

Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke richtete den Blick auf den Beginn der Pandemie in Brandenburg vor einem Jahr: „Damals wussten wir fast nichts über COVID19.“ Die seither getroffenen Maßnahmen hätten sich „im Großen und Ganzen als richtig und wirksam erwiesen“, bilanzierte er. Zugleich räumte der Regierungschef ein, dass es zunehmend Unmut und Unverständnis über die Einschränkungen gebe; die Menschen erwarteten Antworten und Perspektiven. Er betonte: „Wir müssen alle verfügbaren Instrumente nutzen, um aus den Beschränkungen nachhaltig herauszukommen.“ Um dies zu erreichen, seien neben den geltenden Abstands- und Hygieneregeln die Beschleunigung der Impfkampagne und der Einsatz von Schnelltests zentral. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher verwies darauf, dass die Ständige Impfkommission den Impfstoff von AstraZeneca nun auch für über 65-Jährige empfehle. Dieser sei aufgrund der vereinfachten Transport- und Lagerbedingungen prädestiniert für den Einsatz in Arztpraxen. Im Rahmen eines Modellvorhabens der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) wird im Land nun auch in ersten Pilotpraxen geimpft. Die Zahl der Praxen soll bis Ende März auf 50 steigen.

Der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Dr. Hans-Christoph Berndt, bezeichnete die geplante Verlängerung des Lockdowns sowie das weitere Vorgehen zur Eindämmung der Pandemie als eine Zumutung. „Die Menschen brauchen Ihre Perspektiven nicht, sie brauchen Freiheit, nichts weiter“, sagte er. Die Beschlüsse der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin seien „eine widerwillige Reaktion auf den Stimmungsumschwung in der Bevölkerung“. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Erik Stohn kritisierte die Impfbilanz in Brandenburg: „Wir sind bedauerlicherweise Schlusslicht in der Bundesrepublik. Das darf so nicht bleiben.“ Er rechnete vor: „Aktuell schaffen wir erst 4.500 Impfungen am Tag. Bis zum 1. April ist es notwendig, 375.000 Impfungen zu planen, also 12.000 Impfungen täglich!“ Die neuen Testmöglichkeiten müssten umfangreich genutzt werden, das Allheilmittel in der Pandemie bleibe aber das Impfen. Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Sebastian Walter, kritisierte die in der MPK verabredeten Beschlüsse als zu kompliziert: „Das rafft kein Mensch.“ Für den Einzelhandel seien die in Aussicht gestellten Regeln und Öffnungsschritte „keine Perspektive, sondern Frustration pur“. Der Landesregierung warf er Komplettversagen vor: „Ihre Koalition zeigt Tag für Tag, dass Sie dieser Krise nicht im Ansatz gewachsen sind.“

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Jan Redmann sagte, dank des Lockdowns seien in Deutschland pro eine Million Einwohner gerechnet erheblich weniger Menschen gestorben als in Schweden, den USA oder Großbritannien. Dank der Eindämmungsmaßnahmen sei ein „moderates Inzidenzniveau“ erreicht worden, das es nun zu sichern gelte. Hierfür seien Impfungen und Testungen zentral. Für die Fraktion BVB/FREIE WÄHLER sagte der Abgeordnete Matthias Stefke mit Verweis auf den seit November anhaltenden Lockdown: „Mit Durchhalteparolen und öffentlichen Danksagungen ist es nicht mehr getan.“ Er forderte eine Vereinheitlichung der Öffnungsparameter sowie „mehr Mut, Entschlossenheit und Kreativität“ in der Pandemie-Bewältigung. Der KO-Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Benjamin Raschke, warb für die am Vortag verabredeten Maßnahmen: „Diese Beschlüsse sind ein Meilenstein.“ Sie böten eine klare Orientierung für die kommenden Wochen. Kritik äußerte er daran, dass der verabredete Stufenplan einzig auf Inzidenzwerten basiere.

Für die SPD-Fraktion richtete Björn Lüttmann den Blick darauf, dass die Inzidenzwerte in Folge der angestrebten massenhaften Testungen deutlich steigen dürften. Die für einen Inzidenzwert von 100 geplante „Notbremse“ könne daher schnell zum Problem werden. Sein Lösungsvorschlag: mehr alters- und gruppenbezogene Inzidenzwerte sowie weitere Faktoren wie etwa Impfquote und Tests bei der Rücknahme von Eindämmungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Ronny Kretschmer von der Fraktion DIE LINKE warf der Landesregierung „Beratungsresistenz“ vor. Zahlreiche Vorschläge der Opposition seien abgelehnt worden und würden jetzt doch von der Regierung aufgegriffen. Vor allem mit Verweis auf kleine Kliniken im ländlichen Raum forderte die Abgeordnete Carla Kniestedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Landesregierung auf, sich bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 22. März für die wirtschaftliche Absicherung der Krankenhäuser einzusetzen. Ein Entschließungsantrag (Drucksache 7/3118) der BVB/FREIE WÄHLER Fraktion sowie zwei Entschließungen der AfD-Fraktion (Drucksachen 7/3119 und 7/3120) wurden mehrheitlich abgelehnt.