Ina Abuschenko-Matwejewa

Ausstellungszeitraum: 16. März 2020 bis 17. Mai 2021

Complicatio ist ein Begriff, der von Nikolaus von Kues, einem Philosophen des 15. Jahrhunderts, aus der Antike weiterentwickelt wurde und für Giordano Bruno eine wesentliche Bedeutung hatte. Er meint, dass Gott in allen endlichen Dingen als Selbstentfaltung – der „explicatio“ – enthalten ist, unabhängig von deren formaler Beschaffenheit und strukturellen Zusammenhängen. In Ina Abuschenko-Matwejewas Arbeit werden die chaotisch gefalteten, blau gefärbten Papierteilchen durch die rechteckige, gerahmte Grundfläche in eine dynamische Spannung gebracht, die sich physisch auf den Betrachter überträgt und in ihm ein Gefühl von Weite entstehen lässt.

Die fächerartigen Formen der Operette vergegenwärtigen in ihrer Bezugnahme auf den halbkreisförmigen Treppenkomplex, auf dessen verschiedenen Ebenen die Aufführungen stattfinden, zugleich eine Vorstellung von den in künstlichem Scheinwerferlicht gebündelten und sich überlagernden szenischen Stimmungen. Sie sind exzentrisch und geschlossen zugleich: der Fächer als spielerisch-verführerische Handhabe, als Requisit des sich Zeigens und Verbergens, wird assoziativ überwölbt durch die Erinnerung an eine bis an den Nachthimmel reichende, natürliche Offenheit der stadträumlichen Situation.

Text: Wolfgang Siano