Altes Potsdamer Stadtschloss

An der Stelle des heutigen Landtagsgebäudes stand bis 1960 das Potsdamer Stadtschloss, dem es in seiner äußeren Erscheinung nachempfunden ist. Das Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und fungierte zuvor über mehrere Jahrhunderte hinweg als Residenz der preußischen Könige. Die baulichen Ursprünge reichen zurück bis ins Mittelalter. Im nachfolgenden Überblick werden die Nutzungsphasen in chronologischer Abfolge kurz erläutert.

Das Gelände des Schlosses gehört zu den ältesten Siedlungsgebieten in Potsdam. Nach archäologischen Erkenntnissen ist es seit der Steinzeit immer wieder wegen der vom Hochwasser geschützten Lage als Siedlungsplatz genutzt worden. Von diesem Standort aus entwickelte sich im Laufe der Zeit die Stadt Potsdam.

993 fand der slawische Burgort „Poztupimi“ die erste urkundliche Erwähnung. Westlich der slawischen Burg (Kreuzung Heilig-Geist-Straße/Burgstraße) wurden um 1200 Straßen und Wohnquartiere abgesteckt. Direkt unter der Kutschauffahrt fanden Archäologen Spuren, die auf eine um 1320 erbaute Wasserburg hindeuten. Um 1528 errichtete Kurfürst Joachim I. auf dem Gelände ein Burgschloss mit fünf Türmen. Dieses wurde von Kurfürst Joachim Friedrich 1598/99 durch ein kleines Schloss ersetzt, das für dessen Frau Katharina bestimmt war. Es hatte eine Länge von 60 und eine Breite von 14 Metern. In den drei Geschossen befanden sich 38 Räume, darunter im 2. Obergeschoss ein großer Saal und eine sogenannte Tafelstube.

Der Neubau konnte durch den frühen Tod der Kurfürstin jedoch nicht vollständig fertiggestellt werden. Da Eleonore, die zweite Frau von Joachim Friedrich, ebenfalls früh starb, verlor der Kurfürst schließlich ganz das Interesse am Schloss und weilte fortan in Joachimsthal, nördlich von Berlin. Das Schloss verlor an Bedeutung und wurde schließlich verpfändet.

Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1640–1688) erwarb das Schloss 1660. Zwischen 1664 und 1669 ließ er ein neues Schloss nach holländischem Vorbild errichten, das aber bereits wenige Jahre später zu klein war und deshalb von 1679–1682 auf die doppelte Länge erweitert wurde. Der Hauptbau wurde dreigeschossig ausgebaut. Mit dem vergrößerten und neu gestalteten „Lustgarten“ wurde das Schloss zu einer repräsentativen Residenz und nahm eine beherrschende Stellung am bürgerlichen Zentrum, dem Alten Markt, ein. Das Stadtschloss hatte damit die flächenmäßige Ausdehnung im Stadtraum erreicht, die bis zum Abbruch 1959/60 bestand und jetzt wieder vom Landtag eingenommen wird.

Im Hauptflügel, dem „Corps de Logis“, lag im ersten Obergeschoss ein repräsentativer Saal, der spätere „Marmorsaal“. Darunter befand sich im Sockelgeschoss des Schlosses ein ebenerdig mit dem Lustgarten verbundener, mit Gewölben ausgestatteter Saal, der in den Sommermonaten als angenehm kühler Speisesaal zur Verfügung stand, aber auch als Aufbahrungsort für verstorbene Angehörige der kurfürstlichen Familie genutzt wurde.

Der Große Kurfürst erließ im Stadtschloss 1685 das „Potsdamer Toleranzedikt“: Den in Frankreich wegen ihrer Religion verfolgten protestantischen Hugenotten bot er darin freie und sichere Niederlassung in Brandenburg an; Flüchtlinge erhielten großzügige Privilegien.

Friedrich I., der erste preußische König (1688–1713)

Im Jahre 1688 war Kurfürst Friedrich III. seinem Vater, dem „Großen Kurfürsten“, auf den Thron gefolgt. Durch seine Selbstkrönung zum König Friedrich I. 1701 in Königsberg entstand das neue Königreich Preußen. In Vorbereitung der Königskrönung und um den neuen Status zu repräsentieren, kam es zu markanten äußeren Veränderungen am Schloss und im Lustgarten: Es wurde ein neues Eingangsportal nach französischem Vorbild erbaut. Die Figur auf der Spitze, die Glücksgöttin Fortuna, führte später zur Bezeichnung „Fortunaportal“. Das Schloss wurde zu einem Ort rauschender Feste und 1709 sogar eines Treffens mit dem sächsischen und dem dänischen König.

Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“ (1713–1740)

Der Soldatenkönig fasste wegen der äußerst schlechten Staatsfinanzen, die ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte, den Entschluss, möglichst viele seiner Schlösser zu verkaufen und nur wenige zu behalten. Das Potsdamer Stadtschloss war eines der wenigen Schlösser, das in seinem Besitz verblieb, doch nutzte er es im Unterschied zum Schloss Charlottenburg nicht zu Repräsentationszwecken, sondern nur als Wohnstätte für seine Familie. Der Saal im Kellergewölbe wurde 1726 zu einem Weinkeller umgestaltet und im Übrigen am Schloss nur kleine Reparaturen durchgeführt, während der König Potsdam zur Garnisonsstadt ausbaute. Die Stadterweiterung ergab durch die regelmäßige Einteilung in Quartiere eine markante Schachbrettform und richtete sich an den großen Straßenachsen aus der Zeit des Großen Kurfürsten aus, die auf das Schloss zuliefen. Der Stadtausbau bezog sich somit vollständig auf das Schloss, dessen Lage zwischen dem Stadtkern im Norden und der Havel im Süden es aus allen Richtungen zu einem wichtigen Orientierungspunkt machte.

Friedrich II., „der Große“, „der Alte Fritz“ (1740–1786) und seine neue Residenz

1740 wurde Friedrich II. König von Preußen. In seinen ersten Amtsjahren nutzte er das Schloss Charlottenburg als Wohnsitz. Ab 1743 bezog er dann im Potsdamer Stadtschloss, östlich des Marmorsaals, eine Wohnung. Trotz Ausbesserungsarbeiten an der Fassade war Friedrich II. unzufrieden mit dem Gesamtbild des Stadtschlosses. Mit Hilfe des Architekten Baron Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff wurde das Schloss 1744 bis 1751 ausgebaut und erhielt seine endgültige Gestalt, die über 250 Jahre später Vorbild für den Neubau des Landtages werden sollte.

Es wurden grundlegende Änderungen an der Fassade vorgenommen, die eine einheitliche Gliederung erhielt. Das repräsentative Treppenhaus sollte den Mittelteil des Schlosses mit dem Zugang zum großen Saal hervorheben.

Friedrich II. stattete das Gebäude mit erlesenen Einrichtungsgegenständen aus und dokumentierte auch durch die Bautätigkeit um das Stadtschloss herum, dass er sich für Potsdam als königliche Residenzstadt entschieden hatte, deren Zentrum das Knobelsdorff’sche Schloss im Stil des Friderizianischen Rokoko darstellte. Durch das Zusammenspiel mit den Gebäuden am Alten Markt war einer der schönsten Plätze Europas entstanden. Während das Stadtschloss somit zu repräsentativen Zwecken genutzt und im Winter von Friedrich II. auch bewohnt wurde, entstand ebenfalls im Rokoko-Stil von 1745 bis 1747 als Wohnschloss für den Sommer das Schloss Sanssouci, in dem der König nur von ihm ausgewählte Gäste empfing.

Friedrich Wilhelm II., „der dicke Lüderjahn“ (1786–1797)

Der neue Bewohner des Stadtschlosses teilte die Liebe seines Onkels Friedrich II. für die Formen des Barock und des Rokoko nicht. Daher gab er seine Wohnung in der Nordwestecke des Schlosses an seine Söhne Friedrich und Ludwig weiter und ließ von 1787 bis 1792 für sich im „Neuen Garten“ das „Marmorpalais“ im frühklassizistischen Stil errichten. Auch verlegte er die Residenz wieder nach Berlin in das Schloss Charlottenburg. Wegen seines Lebenswandels als Genussmensch stand er in geringem Ansehen; die Neuruppiner setzten ihm jedoch 1829 ein – 1998 rekonstruiertes – Denkmal, weil er die Stadt nach dem großen Stadtbrand im klassizistischen Stil wieder aufgebaut hatte.

Friedrich Wilhelm III. (1797–1840)

Zwar verblieb nach dem Regierungswechsel das Schloss Charlottenburg die Residenz, doch unterhielt Friedrich Wilhelm III. auch nach seiner Hochzeit mit Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz weiterhin eine Wohnung im Stadtschloss, in dem er ab 1799 Umbauten durchführen ließ. Das Paar hielt sich dort bis zum Tode Luises (1810) gern auf.

Friedrich Wilhelm IV. (1840–1861)

bewohnte während seiner Amtszeit ebenfalls das Stadtschloss als Winterdomizil. Seine Ideen zur Umgestaltung, insbesondere der Fassade hin zum Lustgarten, kamen aber nach seiner Erkrankung nicht mehr zur Ausführung.

Wilhelm I. (1861–1888), Friedrich III. (1888), Wilhelm II. (1888–1918)

Unter den letzten drei preußischen Königen, zugleich Deutsche Kaiser, ließ das Interesse an Potsdam deutlich nach. Ihre Wohnsitze befanden sich meist in Berlin, während das Schloss nur noch als Zweitwohnsitz diente. Aus Respekt vor dem Werk Friedrich II. wagte man es auch nicht mehr, die in dessen Amtszeit entstandene Gestaltung des Gebäudes zu verändern.

Am 9. November 1918 versammelten sich auf dem Gelände des Stadtschlosses Menschen, die der Schlosswache die Gewehre entrissen und in das Gebäude eindrangen, ohne es jedoch zu plündern. Damit war symbolisch die Herrschaft des preußischen Königtums beendet.

Nach der Revolution von 1918 – dem Ende der Monarchie – gehörte das Schloss zu der aus dem kaiserlich-königlichen Hofmarschallamt hervorgegangenen Krongutverwaltung und wurde nach dem Vertrag über die Vermögensauseinandersetzung des Staates Preußen in den Bestand der 1927 gegründeten Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten aufgenommen.

In der Weimarer Republik saß hier der Magistrat; seit dem 10. September 1920 tagte im neuen Schlosssaal die Stadtverordnetenversammlung. Im Gebäude wurden Dienstwohnungen geschaffen und waren das Arbeitsamt und zum Teil die Stadtverwaltung untergebracht. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten bezog 1934 die NS-Kreisleitung den Westflügel des Schlosses.

Der Gelbe Salon, Wohnraum Königin Luises, wurde 1932 rekonstruiert und zu Pfingsten 1932 wieder für das Publikum geöffnet. 1941 wurde der Museumsbetrieb eingestellt.

Am 14. April 1945 brannte das Stadtschloss nach einem britischen Luftangriff auf die Stadt bis zur Umfassungsmauer nieder. Nur wenige Teile der überaus kostbaren Innenausstattung waren zuvor in Luftschutzbunker oder andere Gebäude ausgelagert worden. Die gesamten im Schloss verbliebenen Raumausstattungen gingen hingegen durch den Brand unwiederbringlich verloren. Auch die Außenfassade des Schlosses hatte bei dem Angriff schwere Schäden erlitten. Sprengbomben hatten eine Schneise durch den Westflügel geschlagen und auch das Fortunaportal weitestgehend zerstört. Die restlichen Fassaden blieben hingegen, wenn auch durch den Brand beschädigt, fast in ihrer gesamten Ausdehnung noch bis in Höhe des Dachgesimses erhalten.

Nach Diskussionen um einen Wiederaufbau oder den Erhalt der Ruine beschloss die Stadtverordnetenversammlung Potsdam am 13. November 1959 den Abriss. Zuvor hatte das Politbüro des ZK der SED das Schicksal der Ruine bereits am 12. Mai 1959 besiegelt.

Von November 1959 bis April 1960 erfolgte der Abriss der verbliebenen Reste des Stadtschlosses. Zu Beginn der Abrissarbeiten kam es zu einer symbolträchtigen Sprengung des Fortunaportals; eine weitere Sprengung erfolgte gegen deren Ende am Südflügel, dessen Mauern wegen der eingebundenen Vorgängerbauten besonders massiv waren. Das Abrissmaterial wurde an viele Orte verbracht. Im Stadion, das zwischen 1947 und 1949 im Lustgarten entstanden war, wurden lose Trümmer und ein Teil des Westflügels verbaut.

Gegen den Abriss erhoben sich Proteste von Künstlern, Architekten und Potsdamer Bürgern. In einem Protestschreiben an den Rat des Bezirkes Potsdam brachten 15 Architekten und Ingenieure des VEB Hochbauprojektierung Potsdam ihren Unmut gegen den Abrissbeschluss zum Ausdruck. Sie sahen darin keine städtebauliche Notwendigkeit und eine Zerstörung des baukünstlerischen Ensembles. Am 17. November 1959 wurden sie zum Rat des Bezirkes vorgeladen. Ihnen wurde eindringlich untersagt, weiter gegen die Abrisspläne zu protestieren. Der frühere langjährige Direktor des Potsdam Museums, Hartmut Knitter, hat die Hilflosigkeit der DDR-Behörden in der Ausstellung des Landtages Brandenburg zum Neubau (Schaustelle Landtag) sehr anschaulich dargestellt. Er konnte sich noch gut an ein Plakat mit der Aufschrift „Fort mit dieser Brutstätte des Feudalismus“ erinnern. Der frühere Leiter des Institutes für Denkmalpflege der DDR, Ludwig Deiters, konnte immerhin eine Bergungsliste von noch 368 erhaltenen Elementen erstellen. Auch Bürger retteten spontan einzelne Teile nach dem Abriss.

Um jegliche Erinnerung an das Stadtschloss auszulöschen, wurde nach dem Abriss die Umgebung gezielt mitmehrspurigen Straßen überbaut und anstelle des Stadtschlosses eine große Straßenkreuzung errichtet. Hierdurch verlor auch der im Nordosten des ehemaligen Schlosses gelegene Alte Markt an Bedeutung.

Neben Neubauten um die Nikolaikirche herum sollte ein Hotelneubau (das heutige „Mercure“) das Gelände des Lustgartens dominieren.

Das einzige Gebäude in der näheren Umgebung, welches Bombenangriffe und Sprengungen mehr oder minder unbeschädigt überstanden hatte, ist der ehemalige Marstall. Auch dieser sollte ursprünglich gesprengt werden, blieb jedoch aufgrund geänderter Stadtplanung erhalten.

Erhalten blieb ebenfalls ein Teil der sogenannten „Ringerkolonnade“, die ursprünglich den Marstall mit dem Westflügel des Schlosses verband. Sie wurde Ende der 1960er-Jahre zunächst Teil einer mit Schlossteilen eingerichteten Freiflächengestaltung im wiederentstandenen Lustgarten, bevor sie 2016 an ihren angestammten Platz zurückkehrte.

Als eines der letzten Renommierprojekte der DDR wurde auf dem Areal des ehemaligen Stadtschlosses noch Ende der 1980er-Jahre mit einem großen Theaterneubau begonnen. Nach der Wende 1989/90 regte sich jedoch gegen diesen Bau zunehmend Widerstand. Zunächst wurden Bedenken laut, dass durch den Theaterneubau der Blick auf die Nikolaikirche versperrt werden könnte. Eigentlicher Grund des 1991 erfolgten Rohbau-Abrisses war jedoch, dass der Theaterneubau am Alten Markt als eines der letzten Großprojekte des SED-Regimes bei Bevölkerung und Politik zunehmend unbeliebt geworden war und man sich die Möglichkeit eines Wiederaufbaus des Areals nach historischem Vorbild nicht versperren wollte.

Als mit dem Abriss des Theaterneubaus im Jahr 1991 das Areal des Stadtschlosses wieder zu einer freien Rasenfläche wurde, begannen jahrelange Diskussionen um eine Wiederbelebung der Potsdamer Mitte. Nach den Erfahrungen der DDR-Zeit mehrten sich die Stimmen, die einen Wiederaufbau des Stadtschlosses befürworteten. Für sie kam als einzige Lösung in Betracht, die große Lücke im Stadtbild zwischen dem Alten Markt, der Langen Brücke und der Breiten Straße wieder angemessen zu schließen.