Enquete-Kommission stellt Ergebnisse einer Bürgerbefragung zu Einschätzungen und Zukunftserwartungen der Bürger im ländlichen Raum vor

Die Enquete-Kommission „Zukunft der ländlichen Regionen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels“ hat auf ihrer heutigen Pressekonferenz den Ergebnisbericht einer Bürgerbefragung zu Einschätzungen und Zukunftserwartungen hinsichtlich regionaler Entwicklung veröffentlicht. Mit der Durchführung der Meinungsumfrage wurde Ende März 2017 das Meinungsforschungsinstitut "Info-GmbH" beauftragt. Als inhaltliche Schwerpunkte der Meinungsumfrage wurden die Themen Daseinsvorsorge, lebenswerte Region, lokale Demokratie und bürgerschaftliches Engagement festgelegt.

Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Die Lebensqualität im ländlichen Raum wird insgesamt auf einem hohen Niveau bewertet: 75 % der Befragten  bewerten diese mit (sehr) gut (S. 7 des Ergebnisberichts). 81 % stimmen der Aussage (voll und ganz) zu, dass sie sich vor Ort wohl fühlen (S. 11 des Ergebnisberichts).

  • Die Verfügbarkeit von geeigneten Arbeitsplätzen wird überwiegend negativ bewertet: 34 % bewerten diese mit (sehr) schlecht, 27 % mit eher schlecht (S. 7 des Ergebnisberichts). Die junge Generation sieht dies optimistischer: Nur 16 % bewerten die Verfügbarkeit mit (sehr) schlecht, 27 % mit eher schlecht (S. 29 des Ergebnisberichts).

  • Die aktuellen Lebensbedingungen vor Ort (z. B. Dienstleistungsangebote) werden überwiegend positiv beurteilt (S. 8 des Ergebnisberichts), zum Teil werden jedoch sehr deutliche Unterschiede in der Bewertung einzelner Bedingungen / Angebote vorgenommen.

Im Einzelnen:

Gesunde Umweltbedingungen, Verfügbarkeit von Hilfen im Notfall und Einkaufsmöglichkeiten werden zu rund 90 % positiv bewertet (S. 8 des Ergebnisberichts). Angebote an öffentlichen Verkehrsmitteln, die medizinische Versorgung, die Kulturangebote und die Treffpunkte vor Ort werden von rund der Hälfte der Befragten negativ bewertet (S. 8 des Ergebnisberichts). Einkaufsmöglichkeiten, die medizinische Versorgung, die öffentliche Verkehrsmittel, das Kulturangebot und die gesunden Umweltbedingungen sind gleichzeitig die „Top 5“ der Angebote vor Ort, die für die Befragten am wichtigsten sind (S. 72 des Ergebnisberichts).

  • Auf die Frage, ob sich bei der zahlenmäßigen Zusammensetzung der Einwohner in Bezug auf bestimmte Personengruppen in den letzten Jahren etwas geändert hat, ergaben sich die folgenden Resultate: 67 % haben eine erhöhte Anzahl der Älteren/Senioren, 60 % haben eine erhöhte Kinderanzahl und  56 % haben eine erhöhte Anzahl an Ausländern/Migranten/Flüchtlingen wahrgenommen (S. 12 des Ergebnisberichts).

  • Knapp die Hälfte der Befragten haben angegeben, sich in den vergangenen 12 Monaten ehrenamtlich engagiert zu haben. Altruismus ist dabei das wichtigste Motiv für ehrenamtliches Engagement (S. 13 des Ergebnisberichts).

  • Die Mitbestimmungsmöglichkeiten am Wohnort sowie das Vertrauen in die dortigen politischen Akteure wird mehrheitlich verhalten bis negativ bewertet (S. 15 des Ergebnisberichts). Der Aussage, dass sich Landes- und Kommunalpolitiker für die Belange vor Ort interessieren, stimmen 33 % (gar) nicht zu und 23 % eher nicht zu (S. 15 des Ergebnisberichts). Am meisten Vertrauen besteht zur Gemeinde/Stadtverwaltung: 36 % bewerten diese mit (sehr) gut, 23 % mit eher gut (S. 15 des Ergebnisberichts).

  • Jeder Zweite würde einem guten Freund (fast) uneingeschränkt den Zuzug in seine Gemeinde empfehlen, nur jeder Achte würde davon abraten (S. 16 des Ergebnisberichts).

Der Ergebnisbericht wurden zeitgleich zur Pressekonferenz auf der Homepage des Landtages unter

https://www.landtag.brandenburg.de/de/parlament/ausschuesse_und_gremien/gremien/dokumente_der_enquete-kommission_6/1/728602

veröffentlicht.

Der Ergebnisbericht wird von den Teilnehmern der Pressekonferenz wie folgt bewertet:

Wolfgang Roick (SPD, Vorsitzender):
Die allermeisten Menschen in Brandenburg fühlen sich wohl in ihrem Heimatort und blicken mit Optimismus in die Zukunft. Dass das für Zugezogene ebenso gilt wie für schon lange Ansässige, ist ein Zeichen für die hohe Integrationskraft in den Regionen. Handlungsbedarf gibt es besonders auf dem Land bei Arbeitsplätzen, dem öffentlichen Nahverkehr, dem Kulturleben und zunehmend bei der Gesundheitsversorgung. Ein Schlüssel ist der weitere Ausbau der digitalen Infrastruktur.
Dazu bedarf es auch dauerhaft leistungsfähiger Strukturen der öffentlichen Verwaltung. Die Ergebnisse der Bürgerbefragung zeigen, dass die Landespolitik sich den richtigen Fragen zuwendet und gut daran tut, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Henryk Wichmann (CDU, stellvertretender Vorsitzender):
Die Befragung macht die hohe Lebensqualität in den ländlichen Regionen deutlich, viele Brandenburger leben gerne in Ihrer Heimat, beispielsweise in der Uckermark oder in der Prignitz. Dies ist zunächst einmal ein erfreuliches Ergebnis.
Jedoch zeigt die Umfrage auch deutliche Defizite auf, beispielsweise bei kulturellen Angeboten oder der Verkehrsinfrastruktur. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Nun ist die Enquete-Kommission gefordert, bis zum Ende nächsten Jahres innovative Vorschläge zu erarbeiten, um die Situation für die Menschen in Brandenburgs ländlichen Regionen zu verbessern.

Anke Schwarzenberg (DIE LINKE):
Die Ergebnisse der Befragung kamen für die Linksfraktion nicht unerwartet. Sie bestätigen bisherige Erkenntnisse der Enquete-Kommission. Überraschend war die überwiegend positive Bewertung der pflegerischen und betreuenden Leistungen in den ländlichen Regionen, ebenso aber auch die Kritik an den fehlenden Kulturangeboten und Treffpunkten. Hier müssen wir politisch tätig werden.

Sven Schröder (AfD):
Die Bürgerbefragung hat wesentliche Ergebnisse der beiden Lernreisen und der Vor-Ort-Sitzungen der Enquete-Kommission bestätigt. In den Ergebnissen der Bürgerbefragung kann man die Hauptforderungen der Einwohner der ländlichen Räume und die politischen Defizite in Brandenburg ausmachen. Die Hauptforderung richtet sich auf die Schaffung der Rahmenbedingungen für gute Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen.

Benjamin Raschke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Zufriedenheit der Brandenburger*innen in den ländlichen Räumen ist insgesamt zu Recht groß. Sorge bereitet ihnen - und uns - jedoch die Entwicklung gerade in den kleinen Gemeinden und Dörfern. Nur 16 Prozent der Menschen haben dort das Gefühl, dass ihre örtlichen Interessen von der Landes- oder Kommunalpolitik wahrgenommen und vertreten werden. Deshalb streiten wir für mehr Selbstbestimmung von Dörfern und Ortsteilen, bspw. durch Ortsteilbudgets oder mehr Rechte für  Ortsvorsteher. Und je kleiner die Gemeinde, desto größer ist auch die Unzufriedenheit mit dem ÖPNV (in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohner liegt diese bei 57 %). Wir fordern daher mehr Geld für den  ÖPNV, überregionale Buslinien und das Ende der Stilllegung von Bahnhalten.

Dr. Michael Thomas (Sachverständiger):
Die Ergebnisse der Befragung erlauben einen differenzierten Blick auf den ländlichen Raum. Sie zeigen eine überwiegend positive Bewertung der Lebensqualität auch hinsichtlich erwarteter Veränderungen. Wertschätzung für den Lebensraum Land und differenzierte, unterschiedliche Einschätzungen im Detail – darin liegen die Anregungen für die Enquete.

Hintergrund:
Im Juni 2015 wurde vom Landtag Brandenburg die Einsetzung der Enquete-Kommission 6/1 „Zukunft der ländlichen Regionen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels“ beschlossen. Aufgabe der Enquete-Kommission ist es, ein Konzept für eine wirkungsvolle Daseinsvorsorge sowie für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung der ländlichen Regionen im Land Brandenburg zu erarbeiten. Sie soll zugleich Handlungsempfehlungen für die einzelnen Politikfelder ableiten, auf deren Grundlage das Land Brandenburg und die verschiedenen Regionen für sich flexible und regional angepasste Lösungen zum Umgang mit dem demografischen Wandel und zur nachhaltigen Entwicklung gewinnen.