Neue Ausstellung im Landtag: „ZOV SPORTVERRÄTER – Spitzenathleten auf der Flucht“ beleuchtet Fluchtschicksale von DDR-Spitzenathleten

Die Ausstellung „ZOV SPORTVERRÄTER“ dokumentiert im 25. Jubiläumsjahr der friedlichen Revolution ab Mittwoch, dem 2. April 2014 im Foyer des Landtages Brandenburg die Fluchtschicksale von 15 Sportlerpersönlichkeiten in der ehemaligen DDR.

 

Ihr Auftrag war es, Goldmedaillen für den Sozialismus zu erringen. Mit ihrer Schnelligkeit, ihrer Geschicklichkeit oder ihrem Spiel sollten sie in der internationalen Sportarena die Überlegenheit des SED-Staates demonstrieren. Ostdeutsche Spitzensportlerinnen und -sportler waren immer auch „Diplomaten im Trainingsanzug“ für die DDR.

 

Nach dem Mauerbau nahm die propagandistische Vereinnahmung des Sportes deutlich zu, gleichzeitig wuchs auch der Druck auf die Athletinnen und Athleten, Höchstleistungen zu vollbringen. Wer sich jedoch von der DDR abwandte und sogar „Republikflucht‘‘ beging, wurde über Nacht zu einem politisch verfolgten „Verräter“. Die Stasi hat die Fluchten zahlreicher Vorzeigesportlerinnen und -sportler in einem sogenannten „Zentralen Operativen Vorgang“ (ZOV) erfasst. Die „Abtrünnigen“ wurden auch im Westen ausspioniert und „zersetzt“, ihre Angehörigen vom Ministerium für Staatsicherheit und der SED bedroht und sozial isoliert.

 

Landtagspräsident Gunter Fritsch erklärt anlässlich der Ausstellungseröffnung: „Viele Funktionärinnen und Funktionäre im DDR-Sport nahmen keine Rücksicht auf die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler. Nicht der Mensch und seine Leistung interessierten, sondern der Systembotschafter im blau-weißen Trikot der DDR. Die in der Ausstellung portraitierten Lebenswege unterstreichen, dass wir aus dem fairen Wettkampf der Sportlerinnen und Sportler keinen Wettbewerb der Staaten oder Gesellschaftssysteme werden lassen dürfen. Ein Spitzensport, der nicht vom Raubbau der Athletinnen und Athleten an ihrer eigenen Gesundheit zerrt, sondern auch Niederlagen und persönlichen Grenzerfahrungen Raum gibt, eignet sich besser als Identifikationsfläche für Fans wie Breitensportlerinnen und Breitensportler, als der technisierte Kampf um noch die letzte tausendstel Sekunde.“

 

Zu den in der Ausstellung porträtierten Persönlichkeiten gehört der Turner und Olympia-Dritte des ASK Vorwärts Potsdam, Wolfgang Thüne. Nachdem Thüne bei der Turn-WM 1974 seinem schärfsten westdeutschen Konkurrenten Eberhard Gienger unterlegen war, wurden die verlangten Trainingsmethoden zunehmend risikoreicher. Dies führte zu einem Dauerkonflikt mit seinem Trainer, da Thüne aufgrund des hohen Verletzungsrisikos um seine Gesundheit fürchtete. Nach dem schlechten Abschneiden bei der EM 1975 in Bern drohten zudem disziplinarische Konsequenzen. Beim Abschlussbankett der EM 1975 in Bern am 2. Juni 1975 bat Thüne daher spontan den westdeutschen Weltmeister Eberhard Gienger um Fluchthilfe. Gienger schmuggelte ihn in seinem Auto über die westdeutsche Grenze nach Emmendingen. Niemand bemerkte Giengers Fluchthilfe, so dass dieser auch künftig bei Wettkämpfen im Ostblock starten durfte. Thünes Familie wurde anschließend jahrelang von der Staatssicherheit verhört und überwacht. Thüne selbst wurde in Abwesenheit von einem Militärgericht zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Die dreisprachige (deutsch, englisch, spanisch) Ausstellung war bereits an verschiedenen Orten in ganz Deutschland zu sehen. „ZOV SPORTVERRÄTER“ ist eine Ausstellung des Zentrums deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg e. V. in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Laura Soria und der Ausstellungsagentur exhibeo. Die Ausstellung wurde ermöglicht durch die Unterstützung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED- Diktatur.

 

Landtagspräsident Gunter Fritsch eröffnet die Ausstellung am Dienstag, dem 1. April 2014 um 18:00 Uhr im Rahmen eines vom Tagesspiegel-Journalisten Robert Ide moderierten Zeitzeugengespräches mit Wolfgang Thüne und dessen damaligen Fluchthelfer und heutigen Bundestagsabgeordneten Eberhard Gienger.

 

Die Ausstellung „ZOV SPORTVERRÄTER – Spitzenathleten auf der Flucht“ ist bis zum 30. Mai 2014 montags bis freitags von 8:00 bis 18:00 Uhr im Foyer des Landtages zu sehen. Der Besuch ist kostenfrei. An gesetzlichen Feiertagen bleibt die Ausstellung geschlossen.

 

Weitere Informationen unter: www.zov-sportverraeter.de